The most impressive aspect of the living world is it’s diversity. Ernst Mayr, "This is Biology"

Modellsystem Kaulquappengemeinschaft

Die Amphibien Madagaskars sind ein Paradebeispiel für den beeindruckenden Artenreichtum und Endemismus auf dieser alten Insel. Vor allem in der letzten Dekade ist die Anzahl an bekannten Arten (373 bis 465, Stand 2009) massiv gestiegen, nicht zuletzt durch gezielte und intensive Suche sowie die Verfügbarkeit molekularbiologischer Methoden zur Artbestimmung. „DNA-barcoding“ basierend auf der wachsenden Anzahl an Vergleichsproben eröffnete die Möglichkeit, unser Augenmerk nicht nur auf die adulten Frösche zu werfen, sondern auch in großem Rahmen die weitgehend unbekannten Kaulquappen zu identifizieren. Diese Kaulquappen, oder besser deren Gemeinschaften, sind durch ihren Reichtum an Arten und deren Verschiedenartigkeit ein wunderbares Modellsystem, um zum einen grundlegendes Wissen zu tropischen Amphibien zu sammeln und noch immer aktuelle Fragen der Gemeinschaftsökologie zu bearbeiten.

Ökologie & Merkmalsevolution

Es ist eine Besonderheit der Frösche des madagassischen Regenwaldes, dass sich eine Vielzahl an Arten an Fließgewässern fortpflanzt. Nirgends auf der Welt finden sich vergleichbar artenreiche Kaulquappengemeinschaften in Fließgewässern – bis zu 22 Arten auf einem 30 m-Abschnitt. Wir haben verschiedene Habitatparameter als bedeutend für die Artenzahl identifiziert. Interessanterweise fällt die primäre Bedeutung den Merkmalen des Kaulquappenhabitates zu, wie der Größe und dem Gefälle des Gewässers. Parameter des Adulthabitates, also Merkmale des Waldes, sind für den Artenreichtum weniger wichtig. Wir konnten erstmalig zeigen, dass bestimmte Umweltfaktoren zu bestimmten Zusammensetzungen von Kaulquappengemeinschaften führen. Anders als für den Artenreichtum, ist für die Zusammensetzung der Gemeinschaft auch die Struktur des Waldes relevant. Bestimmte Froschtypen, wie z. B. Baumfrösche oder in der Laubstreu lebende Frösche, bringen oft auch bestimmt Typen von Kaulquappen hervor. Aber nicht immer entspricht der Verwandtschaftsgrad auch der Ähnlichkeit.
Ein Punkt von sehr generellem ökologischem Interesse ist die Frage nach einem Maß, mit dem die Diversität einer Gemeinschaft quantifiziert werden kann. Wie Verhält sich der Reichtum an Arten zum Reichtum an durch diese Arten bereitgestellten, ökologischen Funktionen? Wie ist das Verhältnis zur genetischen Vielfalt? Wir konnten zeigen, dass der reine Artenreichtum einer Gemeinschaft ein informatives Maß ist, dass aber funktionale Diversität (FD) auch in Primärhabitaten noch weitergehende Informationen liefert: So sind unsere Kaulquappengemeinschaften zum Beispiel durch funktionale Redundanz gekennzeichnet. Auch sind diese Gemeinschaften, je nach Saison, mal durch niedrige und mal durch hohe funktionale Diversität gekennzeichnet. Saisonalität ist also ebenso von immenser Bedeutung, die über den reinen Artenreichtum hinausgeht. Als weiteres Maß haben wir phylogenetische Diversität (PD) analysiert, ein Maß, das oft stellvertretend für FD herangezogen wird. Auch PD liefert Informationen, die über den reinen Artenreichtum hinausgehen. Wir konnten aber zeigen, dass PD mitnichten mit FD vergleichbar ist.

Ein spannender Teil der Ergebnisse steht noch (mehr oder weniger) kurz vor seiner Publikation. Um dieser nichts vorwegzunehmen, habe ich hier noch keiner weiteren Ergebnisse veröffentlicht. Sollte jemand großes Interesse daran haben, kann ich gerne auf Nachfrage die entsprechenden Information bereitstellen.

Kooperationen

Im Rahmen dieses DFG-Projektes und angrenzender Projekte liefen und laufen noch weitere Arbeiten, in die ich auch weiterhin involviert sein werde.
Unglaubliche Berge an morphologischen Daten erhebt Roger Daniel Randrianiaina von der TU Braunschweig. Kaulquappenbeschreibungen und Vergleiche phylogenetischer und morphologischer Daten liefern wichtige Erkenntnisse zur Merkmalsevolution. Weitergehende Informationen hierzu werden mit der Zeit hier eingebaut.
Die Entschlüsselung der Nahrungsnetze in „unseren Bächen“ sowie vielleicht endlich eine befriedigende Antwort auf die Frage „What do tadpoles really eat?“ obliegt hauptsächlich Julian Glos von der Uni in Hamburg. Auch hierzu zu einem späteren Zeitpunkt mehr.